Innovation im Stall: Die erste Kuhtoilette der Schweiz soll Ammoniak reduzieren

In Hellbühl im Kanton Luzern ist seit April 2025 die erste Kuhtoilette der Schweiz in Betrieb. Der Milchviehbetrieb der Familie Röösli testet die innovative Anlage im Rahmen des Ressourcenprojekts «Ammoniak und Geruch Zentralschweiz», das auf eine Reduktion schädlicher Ammoniakemissionen abzielt.
Zuletzt aktualisiert am 19. Juni 2025
von Renate Hodel
5 Minuten Lesedauer
2025 Cowtoilet Kuhtoilette Ammoniakemissionen Mindern Franz Und Janis Roeoesli Betrieb In Hellbuehl LU Rho

Rund 90 Prozent der Ammoniakemissionen stammen aus der Landwirtschaft. Ammoniak entsteht vor allem in der Nutztierhaltung, wenn Harn und Kot aufeinandertreffen. Das Gas verflüchtigt sich, gelangt in die Atmosphäre und wirkt wie ein unkontrollierter Dünger – allerdings nicht dort, wo er gebraucht wird. Besonders gefährlich ist das für sensible Ökosysteme wie artenreiche Magerwiesen, Moore oder Wälder, die durch Stickstoffeinträge langfristig zerstört werden.

Unsichtbares Problem

«Man riecht es, sieht es aber nicht», sagt Luzerner Kantonsrätin Laura Spring bei Familie Röösli auf dem Hof. «Der Stickstoff ist nicht dort, wo wir ihn haben wollen – in der Produktion für unsere Erträge – sondern in der Luft und das ist für die Landwirtschaft wie für die Umwelt ein Problem», erklärt sie weiter und ergänzt: «Wenn wir über die Luft zu viele Stickstoffeinträge bringen, wird der ganze Biodiversitätseffort der Landwirtschaft zum Teil zunichtegemacht».

Gerade im Kanton Luzern ist der Druck hoch: Er weist die höchsten Ammoniakemissionen der Schweiz auf. Ein Grund ist die Tierdichte – eine Folge politisch gewollter «innerer Aufstockung», also der wirtschaftlich getriebenen Konzentration von Nutztieren auf weniger Betrieben.

2025 Cowtoilet Kuhtoilette Ammoniakemissionen Mindern Betrieb In Hellbuehl LU Rho
Eine Kuh benutzt die Kuhtoilette – im Hintergrund die Lauffläche mit Quergefälle und Harnsammelrinne sowie der erhöhte Fressbereich mit Abtrennungen. (rho)

Innovation aus den Niederlanden

Die «CowToilet» wurde von der niederländischen Firma Hanskamp entwickelt und ist nun zum ersten Mal in der Schweiz im Praxiseinsatz. Der Milchviehbetrieb von Franz Röösli in Hellbühl hat die Anlage installiert – begleitet vom Ressourcenprojekt «Ammoniak und Geruch Zentralschweiz» sowie von Agroscope und dem Kanton Luzern.

Die Kuhtoilette ist eine freistehende Box, die die Kühe freiwillig betreten. Als Anreiz erhalten sie eine Portion Lockfutter – in Hellbühl betriebseigene Maiswürfel. Danach stimuliert die Anlage die Kuh am Hinterteil, wodurch ein Harndrang ausgelöst wird. Der Urin wird separat aufgefangen und nicht – wie sonst üblich – mit dem Kot vermischt. Dadurch wird verhindert, dass sich Ammoniak überhaupt erst bilden kann.

Wissenschaftlich begleitet

Wissenschaftler von Agroscope haben die Kuhtoilette zuvor am Forschungsstandort in Tänikon getestet. Dort konnte eine durchschnittliche Harnmenge von 5,5 Litern pro Kuh und Tag gesammelt werden. Das entspricht rund 10 bis 30 Prozent der täglich im Stall ausgeschiedenen Harnmenge pro Kuh – damit erreicht die Toilette eine Minderung der Ammoniakemissionen von rund 15 Prozent. In den Niederlanden wurde sogar eine Emissionsminderung von bis zu 45 Prozent gemessen. Die tatsächliche Emissionsminderung hänge aber vom Haltungssystem und vom Lockfuttereinsatz ab, betonte Michael Zähner von Agroscope vor Ort in Hellbühl.

Im Stall der Familie Röösli nutzen rund 80 Prozent der 35 Kühe die Toilette – das entspricht etwa 200 Litern Urin täglich. Daraus lässt sich hochwertiger Stickstoffdünger gewinnen, der beispielsweise für den Biolandbau interessant ist.

Auf dem Betrieb der Familie Röösli in Hellbühl kommen zur Kuhtoilette aber noch weitere Massnahmen hinzu: Die Lauffläche mit Quergefälle und Harnsammelrinne sowie ein erhöhter Fressbereich mit Abtrennungen. Zusammengenommen ergibt das eine Reduktion der Ammoniakemissionen um rund 44 Prozent.

2025 Cowtoilet Kuhtoilette Gesammelter Urin Ammoniakemissionen Mindern Betrieb In Hellbuehl LU Rho
Der gesammelte Urin könnte unter anderem als wertvoller Stickstoffdünger verwertet werden. (rho)

Innovation mit Hürden

Die Umsetzung des modernen Stalls mit den entsprechenden ammoniakmindernden Massnahmen erforderte Mut und Durchhaltewillen: Mehrfache Sistierungen verzögerten das Baubewilligungsverfahren um zwei Jahre. Planer Frank Rindlisbacher von der Rindlisbacher AG betont, wie komplex die Integration der Umweltaspekte in Stallbauten ist: «Es muss für das Tier, aber auch für den Bauern funktionieren – und dann kommt noch der Aspekt Umwelt dazu.»

Und es braucht Geld, denn die stallbaulichen Massnahmen sind teuer. Allein die Kuhtoilette kostet rund 60’000 Franken – ohne die weiteren Installationen und Unterhalt. Ohne Unterstützung durch das Ressourcenprojekt wäre der Einbau der Kuhtoilette wohl kaum möglich gewesen.

Teil eines grösseren Ganzen

Das Ressourcenprojekt «Ammoniak und Geruch Zentralschweiz» fördert neben Stalltechnik auch betriebliche Umstellungen mit weniger Tieren oder bessere Fütterungssysteme. Es wird von einem breiten Trägerkreis getragen, darunter der Luzerner Bauernverband und die Zentralschweizer Umweltämter.

Auch das Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt das Projekt. «Ammoniak ist ein sehr relevantes Thema – ökologisch wie politisch», sagt Samuel Vogel vom BLW. Der Bund hat zum Ziel gesetzt, die Stickstoffverluste in der Schweiz bis 2030 um 15 Prozent zu senken, die Ammoniakemissionen sogar um 30 Prozent.

Die «CowToilet» könnte dazu einen Beitrag leisten. Dass die Kuhtoilette – wie einst der Schleppschlauch – aber zum Standard in der Landwirtschaft wird, bleibt abzuwarten und ist bei nüchterner Betrachtung wohl eher unwahrscheinlich.

Und Innovation alleine reicht nicht – das zeigt auch die politische Dimension: «Man kann nicht einfach den einzelnen Betrieben die Verantwortung zuschieben», mahnt Luzerner Kantonsrätin Laura Spring. «Es braucht eine Politik, die mitzieht und Innovation auch finanziell ermöglicht.»

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